Die Landesregierung von NRW will ausreisepflichtigen Ausländern ermöglichen, nach fünf Jahren einen unbefristeten Aufenthaltsstatus zu erhalten

28. März 2019

NRW-Flüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP) will nach einem Medienbericht gut integrierten Ausländern einen unbefristeten Aufenthaltsstatus nach fünf Jahren ermöglichen.

„Menschen, die sich bereits über längere Zeit bei uns aufhalten, hier Fuß gefasst haben, sehr gut integriert sind und im Wesentlichen auf eigenen Beinen stehen, verdienen eine Perspektive. Sie weiter im Schwebezustand zu halten oder abzuschieben ist menschlich nicht in Ordnung und volkswirtschaftlich falsch“, sagte Stamp am Montag. Kriminelle und vor allem Sexualstraftäter dürften aber nicht mit Nachsicht rechnen. Parallel zu den Erleichterungen bei Bleiberecht will die Landesregierung die Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern, besonders von Gefährdern, beschleunigen.

56.000 „Geduldete“ in NRW

Rund 56.000 „Geduldete“ leben in NRW. Viele von ihnen haben diesen unsicheren Status schon seit Jahren oder Jahrzehnten und ihn an ihre Kinder weitergegeben obwohl diese hier geboren sind und hervorragend Deutsch sprechen. „Das sind größtenteils Menschen, die in der Praxis sowieso nicht mehr abgeschoben werden“, sagte Stamp. Sein Ministerium erhalte viele Bittschriften von Betroffenen und von Arbeitgebern, die sich darüber beschwerten, dass einer ihrer Mitarbeiter abgeschoben werden soll. Für ein dauerhaftes Bleiberecht müssten die Geduldeten aber unter Beweis stellen, dass sie wirklich in der Gesellschaft angekommen seien. Die Ausländerbehörden sollen daher „besondere Integrationsleistungen“ prüfen:

Engagement zählt

Geduldete, die sich über einen längeren Zeitraum gesellschaftlich engagieren, zum Beispiel im Vorstand eines Vereins, bei der Freiwilligen Feuerwehr, an einer der „Tafeln“ oder im Elternverein einer Schule, haben sozusagen „Pluspunkte“ bei der Ausländerbehörde.

Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Ausländern

Anwendungshinweise zu § 25b des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG)

Durch Artikel 1 Nr. 13 des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I S. 1386) wurde mit § 25b AufenthG in Deutschland erstmalig ein Stichtags-^und altersunabhängiges Bleiberecht für nachhaltig integrierte Ausländer eingeführt.

§ 25b AufenthG eröffnet die Möglichkeit, einem geduldeten Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er sich nachhaltig in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert hat. Diese Regelung zielt darauf ab, die Rechtsstellung derjenigen zu stärken, die auch ohne rechtmäßigen Aufenthalt anerkennenswerte Integrationsleistungen erbracht haben. Absatz 1 regelt die Voraussetzungen, die ein Geduldeter regelmäßig erfüllen muss, damit ihm eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25b erteilt werden kann. Die Formulierung „setzt regelmäßig voraus“ lässt es indessen nach dem Willen des Gesetzgebers zu, dass besondere Integrationsleistungen von vergleichbarem Gewicht ebenfalls zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b führen können, auch wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 2 im Einzelfall nicht vollständig erfüllt sind (Deutscher Bundestag, Drucksache 18/4097, Seite 42).

Die Praxis zeigt, dass die Bleiberechtsregelung des § 25b AufenthG bislang nicht den gewünschten Effekt hat. Für den Personenkreis der integrationsfähigen und integrationswilligen Geduldeten sind jedoch aus Sicht der Landesregierung tragfähige Lösungen notwendig.

Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration
des Landes Nordrhein-Westfalen

Das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat daher unter Beteiligung der Ausländerbehörden und der Bezirksregierungen eigene Anwendungshinweise zu § 25b AufenthG erarbeitet. Dem Anliegen des Gesetzgebers, gut integrierten Ausländern mit mehrjährigem Aufenthalt unter bestimmten Bedingungen eine gesicherte Aufenthaltsperspektive zu eröffnen, soll durch eine einheitliche Anwendungspraxis im Rahmen des gesetzlich eröffneten Anwendungsspielraums Rechnung getragen werden. Es besteht die Erwartung, dass die Anwendungshinweise in einem in Frage kommenden Einzelfall dahingehend genutzt werden, vorhandene Spielräume zu identifizieren und auszuschöpfen.

Sofern der Erlass zum Teil Bestimmungen aus den rechtlich unverbindlichen Anwendungshinweiseb des Bundes übernimmt, werden diese durch landeseigene Regelungen ergänzt und modifiziert. Es gelten damit für die Ausländerbehörden in Nordrhein-Westfalen ausschließlich die nun vorliegenden Anwendungshinweise des Ministeriums für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration.

Bei der Regelung des § 25b AufenthG handelt es sich um eine Soll- Vorschrift, die einen Entscheidungsspielraum einräumt, der mit diesem Erlass konkretisiert wird.

Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 25b Abs. 1 S. 2 Nr. 1 -.5 AufenthG und Nichtvorhandensein von Versagungstatbeständen ist in der Regel von einer nachhaltigen Integration auszugehen und die Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Eine Aufenthaltserlaubnis wird regelmäßig erteilt, wenn sich der Ausländer seit acht bzw. bei Familien mit Kindern seit sechs Jahren ununterbrochen in Deutschland aufhält, über Sprachkenntnisse und Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung verfügt, sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennt, seinen Lebensunterhalt überwiegend sichert oder die Sicherung zu erwarten steht und seine Kinder die Schule besuchen. Im Einzelnen sind bei den Erteilungsvoraussetzungen Ausnahmen möglich. Näheres hierzu ergibt sich aus den folgenden Ausführungen.

1. Regelmäßige Erteilungsvoraussetzungen

Gemäß § 25b Abs. 1 AufenthG müssen die Erteilungsvoraussetzungen kumulativ vorliegen, damit eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann. Die Formulierung „setzt regelmäßig voraus“ bedeutet, dass ausnahmsweise auch eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann, wenn die Voraussetzungen im Einzelfall nicht vollständig erfüllt sind. Es kann daher auch von der vollständigen Erfüllung der Aufenthaltsdauer abgesehen werden (Abweichung maximal 2 Jahre), wenn andere, über die Regelanforderungen hinausgehende besondere Integrationsleistungen vorliegen und alle anderen Voraussetzungen erfüllt sind.

Andere besondere Integrationsleistungen liegen z.B. vor, wenn ein herausgehobenes soziales Engagement besteht oder eine besondere berufliche Integration gelungen ist. Eine reine Mitgliedschaft in einem Verein oder einer anderen Organisation reicht dabei nicht aus. Es muss sich um die Übernahme von besonderer Verantwortung und Funktionen oder um sonstiges besonderes, nachhaltiges Engagement über einen längeren Zeitraum hinweg (mindestens ein Jahr) handeln, z.B. in den Bereichen:

Hilfsangebote für Bedürftige (z.B. „Tafel“ o.ä.) Kirche
Freiwillige Feuerwehr
Sportvereine

Pfadfinder, KJG o.ä.
Elternvertretung in der Schule oder in der Kita, gesellschaftspolitisches Engagement

Eine besondere berufliche Integration liegt vor, wenn der Ausländer über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr kontinuierlich gute handwerkliche, technische oder andere berufliche Fertigkeiten im Rahmen seiner erlaubten beruflichen Tätigkeit eingebracht hat. Aussagen der Arbeitgeber können bei Bedarf herangezogen werden. Die vorgelegten Bescheinigungen zu den Integrationsleistungen müssen im Einzelfall überprüfbar sein.

2. Duldung im Erteilungszeitpunkt, § 25b Abs. 1 S. 1 AufenthG

Zum Zeitpunkt der Erteilung eines Aufenthaltstitels muss der Ausländer im Besitz einer Duldung sein oder wenigstens die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Duldung erfüllen.
Eine reine Verfahrensduldung reicht nicht aus, um das Tatbestandsmerkmal des § 25b Abs. 1 S. 1 zu erfüllen (vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 17.08.2016, Az. 18 B 696/16 und 19.10.17, Az. 18 B 1197/17). Liegen jedoch gleichzeitig materiell-rechtliche Duldungsgründe vor, so ist das Tatbestandsmerkmal erfüllt.

3. Anrechenbare Voraufenthaltszeiten, § 25b Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AufenthG

Bis zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung über den Antrag muss sich der Ausländer im Bundesgebiet regelmäßig ununterbrochen sechs Jahre (mit Kindern) oder acht Jahre aufhalten (zu den Ausnahmemöglichkeiten s.o. Ziff. 1). Ein abgeschlossener Zeitraum in der Vergangenheit genügt aufgrund des klaren Wortlauts der Regelung („seit“ und „aufhält“) nicht. Bei der Berechnung der maßgeblichen Aufenthaltsdauer werden die Zeiten, in denen sich der Ausländer ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet aufgehalten hat, berücksichtigt (§ 25b Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AufenthG).

Mit der Neuregelung wurde insbesondere das Ziel verfolgt, langjährig Geduldeten, die sich trotz ihres ungesicherten Status integriert haben, eine Perspektive zu bieten. Der Wortlaut der Norm schließt die Anwendung der Regelung auf geduldete Ausländer, die sich zu einem früheren Zeitpunkt mit einer Aufenthaltserlaubnis in Deutschland aufgehalten haben, ausdrücklich ein. Rechtmäßige Voraufenthaltszeiten, z.B. aufgrund von Studienzeiten, Altfallregelungen oder der familiären Situation, sind daher grundsätzlich anrechenbar, wenn der Ausländer nunmehr über eine Duldung verfügt und insofern zu dem Personenkreis der von § 25b AufenthG Begünstigten gehört. Das Zweckwechselverbot des § 16 Abs. 4 AufenthG bei Aufenthalten zu Studienzwecken steht in den Fällen nicht entgegen, in denen der Ausländer zwar zunächst zu Studienzwecken eingereist ist, sich aber nunmehr geduldet im Bundesgebiet aufhält.

Der Annahme eines ununterbrochenen Aufenthalts stehen kurzzeitige Ausreisen aus besonderem Grund nicht entgegen, wenn der Ausländer vor der Unterbrechung über ein Aufenthaltsrecht verfügte. In welchem Umfang Auslandsaufenthalte unschädlich sind, bedarf einer wertenden Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls. Hierbei sind die gesetzlichen Wertungen der §§ 51, 85 AufenthG zu berücksichtigen.

4. Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung, § 25b Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AufenthG

§ 25b Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AufenthG fordert das Bekenntnis des Ausländers zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland. Die Regelungen des § 10 StAG sowie die zugehörigen Anwendungshinweise sind anzuwenden. Vom Ausländer wird ein aktives persönliches Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung verlangt. Das bedingt, dass der Betreffende den Inhalt des von ihm abgegebenen Bekenntnisses verstanden hat und zumindest dessen Kerninhalte kennen muss. § 25b Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AufenthG stellt somit nicht nur eine rein formelle Erteilungsvoraussetzung dar.

Erforderlich ist eine persönlich abzugebende und durch eigene Unterschrift beglaubigte Erklärung des Ausländers. Ein mittelbares und allgemeines Bekenntnis über Dritte genügt nicht.
Das Vorliegen eines schwerwiegenden Ausweisungsinteresses gern. § 54 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 AufenthG oder von Ausschlusstatbeständen für eine Einbürgerung nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 StAG schließt ein solches Bekenntnis aus.

Ein Absehen von dieser Voraussetzung aus Alters- oder Krankheitsgründen ist nach dem Wortlaut des § 25b Abs. 3 AufenthG grundsätzlich nicht möglich. Bei der Beurteilung eines entsprechenden Bekenntnisses ist jedoch auf den Bildungsstand, die Lebensumstände und die sprachlichen Verständigungsmöglichkeiten des Ausländers Rücksicht zu nehmen. In besonderen Härtefällen, wie z.B. bei einer vorliegenden Schwerbehinderung, kann von dem Erfordernis im Einzelfall abgesehen werden (vgl. OVG HH, 25.08.16, 3 Bf 153/13).

5. Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet, § 25b Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AufenthG

Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung umfassen die grundlegenden Prinzipien des Rechtsstaats. Das Vorliegen ist von der Ausländerbehörde festzustellen.

Zur Prüfung der erforderlichen Kenntnisse sollen die Lehrpläne des Orientierungskurses, der Bestandteil des Integrationskurses ist, herangezogen werden.
Die Integrationskursverordnung (IntV) definiert in § 3 Abs. 1 Nr. 2 IntV als Ziel des Kurses die „Vermittlung von Alltagswissen sowie von Kenntnissen der Rechtsordnung, der Kultur und der Geschichte in Deutschland, insbesondere auch der Werte des demokratischen Staatswesens der Bundesrepublik Deutschland und der Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, Gleichberechtigung, Toleranz und Religionsfreiheit.“ Die Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung werden i.d.R. nachgewiesen durch den bundeseinheitlichen Test „Leben in Deutschland“ zum Orientierungskurs nach § 17 Abs. 1 Nr. 2 IntV. Dieser Test kann auch isoliert, ohne Teilnahme am Orientierungs- bzw. Integrationskurs, abgelegt werden.

Die Zielgruppe der zu Alphabetisierenden besucht den Orientierungskurs im Rahmen des Integrationskurses erst nach Durchlaufen des gesamten Sprachkursteils. Der Orientierungskurs des Alphabetisierungskurses unterscheidet sich inhaltlich nicht vom Orientierungskurs des allgemeinen Integrationskurses. Auch die Teilnehmenden des Alphabetisierungskurses nehmen zum Abschluss des Orientierungskurses am standardisierten Testverfahren teil.

Der Nachweis der Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung ist auch erbracht, wenn der Ausländer einen Abschluss einer deutschen Hauptschule oder einen vergleichbaren oder höheren Schulabschluss einer deutschen allgemeinbildenden Schule, eine in Deutschland erfolgreich abgeschlossene Ausbildung oder einen deutschen Studienabschluss nachweisen kann.

Die Kenntnisse können ebenfalls durch ein Gespräch bei der Ausländerbehörde, das sich an den sprachlichen Voraussetzungen des

Niveaus A2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER) für Sprachen (mündlich) orientiert, nachgewiesen werden.
In Härtefällen kann von der Feststellung der Grundkenntnisse analog zu § 9 Abs. 2 S. 4 AufenthG abgesehen werden. Ein Härtefall liegt nach Nr. 9.2.2.2.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz (AW-AufenthG) z. B. vor, wenn eine körperliche, geistige oder seelische Erkrankung oder Behinderung die Erfüllung der Voraussetzungen zwar nicht unmöglich macht, aber dauerhaft wesentlich erschwert, wenn der Ausländer bei der Einreise bereits über 50 Jahre alt war, oder wenn wegen der Pflegebedürftigkeit eines Angehörigen der Besuch eines Integrationskurses auf Dauer unmöglich oder unzumutbar war.

6. Lebensunterhaltssicherung, § 25b Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AufenthG

Für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG reicht es aus, wenn der Ausländer zum Zeitpunkt der Titelerteilung seinen Lebensunterhalt und ggfs, den seiner Bedarfsgemeinschaft überwiegend durch Erwerbstätigkeit sichert. Alternativ zu dieser auf den aktuellen Zeitpunkt abstellenden Betrachtung ist ein Aufenthaltstitel in der Regel auch dann zu erteilen, wenn aufgrund der bisherigen Entwicklung zu erwarten ist, dass der Lebensunterhalt künftig gesichert wird.

6.1 Überwiegende Lebensunterhaltssicherung, § 25b Abs.1 S. 2 Nr. 3 1. Alt. AufenthG

Eine überwiegende Lebensunterhaltssicherung der Bedarfsgemeinschaft liegt vor, wenn durch die bereits ausgeübte Erwerbstätigkeit ein Einkommen von 51% der zu berücksichtigenden Regelsätze des § 22 SGB II plus Miete dauerhaft erwirtschaftet wird (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 07.12.2016, 2 L 18/15). Der Bezug von Wohngeld ist unschädlich (§ 25b Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AufenthG).

6.2 Prognose, § 25b Abs. 1 S. 2 Nr. 3 2. Alt. AufenthG

Ein Titel ist in der Regel auch zu erteilen, wenn zwar noch keine Erwerbstätigkeit vorliegt, aber bei der Betrachtung der bisherigen Schul- , Ausbildungs-, Einkommens- sowie der familiären Lebenssituation eine Lebensunterhaltssicherung im Sinne des § 2 Abs. 3 AufenthG künftig zu erwarten ist. Hier genügt nicht die überwiegende Sicherung des Lebensunterhalts.
Positiv soll die Prognose in der Regel ausfallen, wenn

  • das Vorliegen eines konkreten Arbeitsangebots oder
  • die Schul- und Berufsausbildung und
  • die bisherigen Integrationsleistungen in Sprache und Gesellschaft die Annahme rechtfertigen, dass eine künftige wirtschaftliche Integration in die deutschen Lebensverhältnisse erfolgen wird. Sichert ein Ausländer seinen Lebensunterhalt überwiegend durch Erwerbstätigkeit (§ 25b Abs. 1 S. 2 Nr. 3 1. Alt AufenthG), kommt es auf die gesetzliche Alternative einer positiven Prognose künftiger Lebensunterhaltssicherung nicht an (vgl. OVG HH, Beschluss v. 19.05.2017, Az.: 1 Bs 207/16). Die Ausländerbehörde soll in den Fällen, in denen bei einer Prognoseentscheidung die Ernsthaftigkeit des Arbeitsangebots unsicher erscheint oder in den Fällen der Ziff. 6.1, in denen Tatsachen vorliegen, die die Annahme begründen, die Erwerbstätigkeit sei nicht dauerhaft, die Aufenthaltserlaubnis zunächst für ein Jahr erteilen, um die Ernsthaftigkeit des Arbeitsplatzangebotes nach diesem Zeitraum, vor einer eventuellen Verlängerung, zu überprüfen. In den Fällen einer Prognoseentscheidung, in denen die erforderliche Lebensunterhaltssicherung nach § 2 Abs. 3 AufenthG derzeit noch nicht wahrscheinlich, aber evtl, zu erwarten ist, kann zunächst eine sechsmonatige Duldung erteilt werden, um die Voraussetzungen des § 25b AufenthG zu erreichen. 6.3. Bezug von Sozialleistungen Auch wenn eine Lebensunterhaltssicherung im Umfang von 51 % nicht erreicht werden kann, ist ein vorübergehender Bezug von Sozialleistungen in den in § 25b Abs. 1 S. 3 Nr. 1-4 AufenthG definierten Fällen im Regelfall für die Lebensunterhaltssicherung unschädlich bei:

• Studierenden und Auszubildenden

• Familien mit minderjährigen Kindern, die vorübergehend auf Seite 9von 17 ergänzende Sozialleistungen angewiesen sind

• Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern (Zumutbarkeitsgrenze des § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II) oder

• Ausländern, die pflegebedürftige nahe Angehörige pflegen

7. Deutschkenntnisse, § 25b Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AufenthG

§ 25b Abs. 1 Nr. 4 AufenthG definiert als Regelvoraussetzung das Vorliegen hinreichender mündlicher Deutschkenntnisse im Sinne des Niveaus A2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER) für Sprachen.

Die Sprachkenntnisse sind auch von nach Absatz 4 einbezogenen Familienangehörigen eigenständig zu erbringen. Die Stufe A2 des GER beinhaltet folgende sprachliche Fähigkeiten (vgl. BT-Drs. 18/4097/Gesetzesbegründung):

  • kann Sätze und häufig gebrauchte Ausdrücke verstehen, die mit Bereichen von ganz unmittelbarer Bedeutung Zusammenhängen (z. B. Informationen zur Person und zur Familie, Einkäufe, Arbeit, nähere Umgebung),
  • kann sich in einfachen, routinemäßigen Situationen verständigen, in denen es um einen einfachen und direkten Austausch von Informationen über vertraute und geläufige Dinge geht,
  • kann mit einfachen Mitteln die eigene Flerkunft und Ausbildung, die direkte Umgebung und Dinge im Zusammenhang mit unmittelbaren Bedürfnissen beschreiben. Ergänzend wird zu den von Stufe A2 geforderten sprachlichen Fähigkeiten auch auf Ziffer 104a.1.2 AW-AufenthG sowie zur Abgrenzung der sprachlichen Fähigkeiten auf der Stufe A1 auf Ziffer 30.1.2.1 AW- AufenthG verwiesen. Die geforderten mündlichen Sprachkenntnisse sind in der Regel nachgewiesen, wenn ein geeignetes und zuverlässiges Sprachstandszeugnis der Stufe A2 des GER vorgelegt wird (z.B.

„Deutsch-Test für Zuwanderer“ – Kompetenzstufe A2). Das Sprachstandszeugnis muss auf einer standardisierten Sprachprüfung beruhen. Nicht anerkannt werden können daher informelle Lernzielkontrollen, die von nicht zertifizierten Kursträgern erstellt und durchgeführt werden und ebenfalls den Anspruch erheben, ein Sprachstandsniveau zu bescheinigen, da diese nicht über einen vergleichbaren Standardisierungsgrad bei Durchführung und Auswertung verfügen und evtl, auf eine wissenschaftliche Testentwicklung verzichten (vgl. AAH des BMI zu § 25 b AufenthG).

Für Analphabeten und Personen, die noch nie eine Schule besucht haben, werden durch das BAMF besondere Integrationskurse und Alphabetisierungskurse angeboten, die – u.a. – auf die Erreichung mindestens des Sprachniveaus A2 abzielen. Diese sind auf den vorgenannten Personenkreis zugeschnitten und tragen einer evtl, ungeübten und ggfs, langsamen Aufnahmefähigkeit der Teilnehmer Rechnung.

Der Nachweis der mündlichen Deutschkenntnisse hat nicht zwingend durch Vorlage des vorgenannten Sprachzertifikats zu erfolgen. Sie sind ohne Vorlage eines Sprachzertifikats nachgewiesen, wenn

  • einfache Gespräche bei der Ausländerbehörde ohne Zuhilfenahme eines Dolmetschers auf Deutsch geführt werden können, wobei diese sich an den o.g. Gesprächsinhalten orientieren können,
  • vier Jahre eine deutschsprachige Schule mit Erfolg (Versetzung in die nächsthöhere Klasse) besucht, ein Hauptschulabschluss oder wenigstens gleichwertiger deutscher Schulabschluss erworben wurde oder eine Versetzung in die zehnte Klasse einer weiterführenden deutschsprachigen Schule erfolgt oder • ein Studium an einer deutschsprachigen Hochschule oder Fachhochschule oder eine deutsche Berufsausbildung erfolgreich abgeschlossen wurde. Bei Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten 16. Lebensjahr ist kein Nachweis der Deutschkenntnisse erforderlich. Hier genügt die Vorlage des letzten Zeugnisses oder der Nachweis des
  • Kindertagesstättenbesuchs (vgl. auch hierzu BT-Drs. seiten von 17 18/4097/Gesetzesbegründung).

8. Absehen von den Voraussetzungen der Lebensunterhaltssicherung und Sprachkenntnisse gern. § 25b Abs. 3 AufenthG

Von der Sicherung des Lebensunterhalts und vom Nachweis hinreichender Deutschkenntnisse wird gemäß § 25b Abs. 3 AufenthG abgesehen, wenn der Ausländer diese Voraussetzung wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder aus Altersgründen nicht erfüllen kann.

Die Gründe der Krankheit bzw. Behinderung müssen durch aussagekräftige ärztliche Atteste belegt werden, die den Schluss nahelegen, dass von den Betreffenden das Erfordernis der Lebensunterhaltssicherung oder das Sprachnachweiserfordernis nicht verlangt werden kann. Auf diesen Nachweis kann verzichtet werden, wenn die Ausschlussgründe offensichtlich sind. Ein ausreichender Beleg liegt in der Regel vor, wenn nach Vorlage des sozialrechtlichen Bescheids Erwerbsunfähigkeit i. S. d § 43 Abs. 2 SGB VI gegeben ist.

Aus Altersgründen ist vom Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhalts in der Regel abzusehen, wenn das reguläre Rentenalter erreicht ist.

Hinsichtlich des Absehens vom Erfordernis des Spracherwerbs aus Altersgründen ist eine individuelle Betrachtung unter Berücksichtigung insbesondere des Bildungsstandes und der Lebensumstände erforderlich. Vielfach dürfte auch jenseits des 65. Lebensjahres der Erwerb von mündlichen Sprachkenntnissen des Niveaus A 2 noch problemlos möglich sein, und Anstrengungen hierzu dürfen erwartet werden. Andererseits stellt ebenfalls nicht selten ein geringes Bildungsniveau (z.T. verbunden mit Analphabetismus) ein erhebliches Hindernis für den Spracherwerb auch bei noch jüngeren Personen dar. Bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres kommt ein Absehen vom

Erfordernis des Spracherwerbs aus Altergründen jedenfalls nicht in Betracht.

Die Gründe für ein Absehen vom Erfordernis der Seite 12 von 17 Lebensunterhaltssicherung und Sprachkenntnisse nach § 25b Abs, 3
AufenthG sind zwingend, Darüber hinaus ist ein Absehen in atypischen
Fällen im Rahmen des Ermessens möglich, s.o. Ziff. 1.

9. Tatsächlicher Schulbesuch, § 25b Abs. 1 S. 2 Nr. 5 AufenthG

Der Ausländer muss nachweisen, dass seine Kinder tatsächlich die Schule besuchen. Dies soll durch Vorlage von Zeugnissen und einer aktuellen Schulbescheinigung geschehen. Einzelne unentschuldigte Fehltage sind dabei unerheblich (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 24. März 2009 – 10 LA 377/08).

Mangelhafte Schulleistungen allein sind kein Ausschlusskriterium.

10. Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen

Zu beachten ist, dass neben den in § 25b Abs. 1 AufenthG genannten Voraussetzungen grundsätzlich auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG vorliegen müssen, soweit diese nicht ausdrücklich ausgeschlossen sind oder § 25b AufenthG abschließende Sonderregelungen enthält.

11. Visum

Aus § 25b Abs. 1 S. 1 AufenthG ergibt sich, däss die Visumpflicht (§ 5 Abs. 2 AufenthG) im Zusammenhang des § 25b AufenthG nicht gilt.

12. Passpflicht / Identitätsklärung

Die Erfüllung der Passpflicht ist neben dem nach § 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG erforderlichen Identitätsnachweis aufenthaltsrechtlich von herausragendem öffentlichen Interesse.

Durch die Klärung von Identität und Staatsangehörigkeit eines Ausländers soll insbesondere verhindert werden, dass ein und dieselbe Person im Rechtsverkehr mit mehreren unterschiedlichen Identitäten

und amtlichen Ausweispapieren auftreten kann. Für die Betroffenen kommt demnach eine Titelerteilung grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn ihre Identität und ihre Staatsangehörigkeit zweifelsfrei geklärt sind und auch die Passpflicht nach Maßgabe des § 3 AufenthG erfüllt ist.

Dem Ausländer obliegt es, an der Beschaffung von Identitätspapieren mitzuwirken. Er muss alle Urkunden und sonstigen Unterlagen, die für die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit von Bedeutung sein können und in deren Besitz er ist, den mit der Ausführung des Aufenthaltsgesetzes betrauten Behörden auf Verlangen vorlegen, aushändigen und überlassen (§ 48 Abs. 3 S. 1 AufenthG).

Die in diesem Zusammenhang gebotenen Mitwirkungshandlungen (Mitwirkung an der Aufklärung der wahren Identität und Mitwirkung bei der Passbeschaffung) sind dem Antragsteller grundsätzlich auch dann zumutbar, wenn damit eine Korrektur früherer Sachverhaltsdarstellungen (ggfs. auch solcher der Eltern/Großeltern/Kinder) verbunden ist. Zumutbar ist insbesondere die Vorsprache bei der jeweiligen konsularischen Vertretung, aber auch, etwaige Unterlagen oder Personenstandsurkunden über Kontaktpersonen im Fleimatstaat zu beschaffen.

Gemäß § 5 Abs. 3 S. 2 AufenthG kann im Ermessenswege von den Vorgaben des § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG abgesehen werden. Erforderlich ist hier jeweils eine umfassende Einzelfallabwägung, bei der folgende Aspekte zu berücksichtigen sind:

• Wie hoch ist der Anteil der Eigenverantwortlichkeit und des Verschuldens des Betroffenen für das Fehlen eines Nationalpasses oder der Identitätsklärung?

• Zu welchem Zeitpunkt und aus welchem Anlass wurden die Täuschungshandlungen aufgegeben?

• Inwieweit ist der Antragsteller nachweislich ernsthaft seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen? Sind seine Aufklärungsbemühungen im Ergebnis ohne sein Verschulden erfolglos geblieben (z.B. weil trotz Bemühungen des Ausländers seine Eltern die notwendige Mitwirkung an der Registrierung im Fleimatland verweigern und eine Ausstellung eines Fleimatpasses daher nicht erreicht werden kann)?

Unter Berücksichtigung der hier getroffenen Regelungen, stellt das Zug­ um ZugA/erfahren im Rahmen einer Zielvereinbarung hierbei einen gangbaren Weg dar:

Wenn der zuständigen Ausländerbehörde Ausländer bekannt sind, denen eine gute Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse gelungen ist und es maßgeblich an bisher fehlenden – zumutbaren – Bemühungen zur Identitätsklärung bzw. Passbeschaffung scheitert oder wenn eine entsprechende Person auf die Ausländerbehörde zukommt, kann sie mit dem Ausländer eine Zielvereinbarung darüber schließen, welche Vorleistungen seitens des Ausländers erbracht werden müssen, um die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gern. § 25b AufenthG zu schaffen. Voraussetzung ist, dass ernsthafte Bemühungen zur Erfüllung der Mitwirkungspflichten erwartet werden können. Für den für die Identitätsklärung und Passbeschaffung erforderlichen Zeitraum kann vorerst eine weitere Duldung erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf in diesen Fällen jedoch erst erteilt werden, wenn die Identität nachgewiesen und der Pass beschafft ist.

Sind die Betroffenen trotz des Nachweises entsprechender Mitwirkungshandlungen im Sinne des § 48 Abs. 3 AufenthG nicht im Besitz eines gültigen Passes und steht fest, dass sie diesen auch nicht in zumutbarer Weise erlangen können, so kann nach Maßgabe der geltenden Bestimmungen ein Reiseausweis oder ein Ausweisersatz ausgestellt werden (vgl. § 3 Abs. 1 i. V. m. § 48 Abs. 2 und 3 AufenthG), mit dem die Passpflicht dann erfüllt wird (vgl. § 3 Abs. 1 AufenthG i. V . mit §§ 5, 6, 55 AufenthV).

Wird bei der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach Ermessen von § 5 Abs. 1 Nr. 1a und/oder Nr. 4 AufenthG abgesehen, befreit dies den Ausländer nicht von der allgemeinen Obliegenheit, die Passpflicht nach § 3 Abs. 1 AufenthG sowie die Pflichten nach § 48 Abs. 3 AufenthG und nach § 56 AufenthV zu erfüllen (vgl. Nr. 5.1.1a und 5.3.2.4 AW – AufenthG). Dies gilt auch im Fall der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis.

13. Versagungsgründe: Täuschung, § 25b Abs. 2 Nr. 1 AufenthG

Nach § 25b Abs. 2 Nr. 1 AufenthG ist die Aufenthaltserlaubnis zu versagen, wenn der Ausländer die Aufenthaltsbeendigung durch vorsätzlich falsche Angaben, durch Täuschung über die Identität oder Staatsangehörigkeit oder Nichterfüllung zumutbarer Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen verhindert oder verzögert. Ein zwingender Versagungsgrund für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nur dann gegeben, wenn das vorwerfbare Verhalten des Ausländers gegenwärtig ist. Dieser Versagungsgrund kann weder in Ausnahmefällen noch im Ermessenswege überwunden werden. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist in diesem Fall zu versagen.

Die Regelung des § 25b AufenthG soll eine Umkehrmöglichkeit für Ausländer darstellen, eine getroffene Fehlentscheidung zu korrigieren. Sie ist ein gangbarer Lösungsweg für langjährig anhaltende ineffektive Verfahren zwischen dem Ausländer einerseits und den staatlichen Stellen andererseits, die ansonsten weiterhin keiner Lösung zugeführt werden könnten. Daher können zu Beginn des Verfahrens begangene Täuschungshandlungen unberücksichtigt bleiben, Es bedarf dabei einer Abwägung im Einzelfall, ob das Gewicht der Integrationsdefizite aufgrund Fehlverhaltens des Ausländers schwerer wiegt als das Gewicht der erbrachten Integrationsleistungen. § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG ist analog anzuwenden.

Kein schwerwiegendes Integrationsdefizit liegt vor, wenn der Ausländer

  • die in der Vergangenheit begangene Täuschungshandlung aufgegeben hat,
  • seine ausländerrechtlichen Pflichten seit diesem Zeitpunkt erfüllt,
  • die zurückliegende Täuschungshandlung nicht allein kausal für seinen weiteren Verbleib im Bundesgebiet ist und
  • seit der Offenbarung bereits ein längerer Zeitraum vergangen ist.

Ein Zug-um-Zug-Verfahren im Rahmen einer Zielvereinbarung (s.o. Nr. 12) stellt dabei auch in diesem Zusammenhang einen gangbaren Weg dar.

14. Versagungsgründe: Ausweisungsinteresse, §§ 25b Abs. 2 Nr. 2, 5 Abs. 4 AufenthG

Die Aufenthaltserlaubnis ist nicht zu erteilen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 und 2 AufenthG besteht. § 25b Abs. 2 Nr. 2 AufenthG statuiert durch Bezugnahme auf § 54 Abs.1 und Abs. 2 Nr. 1 und 2 AufenthG einen Versagungsgrund, der erst bei gravierender Straffälligkeit des Ausländers greift. Voraussetzung ist eine Verurteilung zu mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe bzw. im Fall der Verurteilung zu einer Jugendstrafe von einem Jahr darüber hinaus die Nichtaussetzung zur Bewährung (vgl. OVG NRW, Beschluss v. 21.07.2015, Az: 18 B 486/14). § 25b Abs. 2 Nr. 2 AufenthG stellt eine Spezialregelung mit strengerem Maßstab gegenüber § 5 Abs. 4 AufenthG dar. Die Ausnahmetatbestände nach § 5 Abs. 4 S. 2 und 3 AufenthG finden daher bei der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25b AufenthG keine Anwendung.

Im Rahmen der Prüfung der nachhaltigen Integration sind allerdings auch andere Straftaten zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des OVG NRW (aaO) sind Straftaten unterhalb der Schwelle des § 54 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 AufenthG einer einzelfallbezogenen Würdigung im Rahmen des § 25b Abs. 1 AufenthG nicht von vornherein entzogen. Dabei können Geldstrafen bis zu 50 Tagessätzen oder bis zu 90 Tagessätzen bei Straftaten, die nur von Ausländern begangen werden können, im Einzelfall außer Betracht bleiben. Demgegenüber sind bei der zu treffenden Ermessensentscheidung Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von besonderer Bedeutung und mit besonderem Gewicht einzubeziehen.

15. Ausnahme von der Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 3 S. 2 AufenthG gern. § 25b Abs. 5 S. 2 AufenthG

Die Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG kann abweichend von § 10 Abs. 3 S. 2 AufenthG erteilt werden. In diesen Fällen soll die Ausländerbehörde das Einreise- und Aufenthaltsverbot gern. § 11 Abs. 4 S. 2 aufheben.

16. Familienangehörige

Eine Aufenthaltserlaubnis an Familienangehörige soll unter den Voraussetzungen des § 25b Abs. 4 AufenthG erteilt werden. Auch für die Familienangehörigen müssen dabei grundsätzlich die Erteilungsvoraussetzungen – außer der Aufenthaltsdauer – vorliegen.